Konfliktkompetenz stärken
Konflikte gehören zum Arbeitsalltag – und dennoch bringen sie viele von uns immer wieder aus dem Gleichgewicht. Besonders dann, wenn wir uns ungerecht behandelt, übergangen oder kritisiert fühlen. In solchen Momenten sind es nicht allein die Worte des Gegenübers, die uns treffen, sondern die Bedeutung, die wir ihnen beimessen. Doch genau hier setzt ein zentrales psychologisches Prinzip an: das Gesetz der vertikalen Gegenläufigkeit von Friedemann Schulz von Thun.
Dieses besagt: Je stärker wir uns betroffen fühlen, desto weniger sind wir in der Lage, konstruktiv zu kommunizieren. Unsere Konfliktfähigkeit nimmt ab – ausgerechnet dann, wenn wir sie am dringendsten bräuchten.
Konfliktkompetenz durch Perspektivwechsel
In emotional aufgeladenen Situationen übernimmt oft das sogenannte „Beziehungsohr“: Wir hören nicht mehr, was sachlich gesagt wird, sondern fragen uns: Was denkt der andere über mich? Dies löst innere Alarmreaktionen aus – Verteidigung, Rückzug oder Gegenangriff sind typische Folgen. Doch wie lässt sich dieser Automatismus durchbrechen?
Ein Schlüssel liegt im bewussten Perspektivwechsel: Statt zu fragen Was sagt das über mich aus?, hilft es, das Selbstkundgabe-Ohr zu aktivieren. Fragen Sie sich: Was erfahre ich über mein Gegenüber? Welche Bedürfnisse, Werte oder vielleicht auch Ängste sprechen aus dessen Worten? Diese innere Umlenkung schafft emotionalen Abstand und öffnet den Raum für echtes Verstehen – ohne sofortige Selbstverteidigung.
Konfliktkompetenz beginnt also im Inneren: Wer versteht, dass ein Angriff oft mehr über den Sender als über sich selbst aussagt, gewinnt Handlungsfreiheit zurück. Es geht nicht darum, alles hinzunehmen – sondern bewusst zu entscheiden, ob und wie man reagiert.
Konfliktkompetenz im Führungsalltag
Für Führungskräfte ist diese Fähigkeit besonders relevant. Sie stehen häufig im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen und Erwartungen. Wenn Beschäftigte emotional reagieren, ist es hilfreich, nicht vorschnell auf das Gesagte zu reagieren, sondern innezuhalten: Was genau hat diese Reaktion ausgelöst? Welche Bedeutung liegt hinter der Kritik oder dem Widerstand?
Ein souveräner Umgang mit Konflikten bedeutet, die emotionale Dimension zu erkennen, ohne sich davon überrollen zu lassen. Führungskräfte, die dies beherrschen, schaffen nicht nur Klarheit in schwierigen Situationen, sondern stärken auch das Vertrauen und die Offenheit im Team.
Fazit: Klar bleiben, wenn es schwierig wird
Das Gesetz der vertikalen Gegenläufigkeit macht deutlich: In genau den Momenten, in denen wir besonders betroffen sind, verlieren wir oft die Fähigkeit zur konstruktiven Kommunikation. Doch durch einen bewussten Perspektivwechsel – weg vom Beziehungsohr, hin zum Selbstkundgabe-Ohr – gewinnen wir Abstand, Klarheit und Handlungsfähigkeit zurück.
Konfliktkompetenz zeigt sich nicht darin, Konflikte zu vermeiden, sondern darin, sie mit innerer Stabilität und echtem Verstehen zu gestalten. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von echter Führungsstärke.